Norditalien und Cote d'Azur

Machiavelli für Eltern

Menschen können bekanntlich in die unterschiedlichsten Kategorien eingeteilt werden. Es gibt kleine und große, dicke und dünne, Berliner und Provinzler. Es gibt weiterhin Menschen mit Kindern (landläufig „Eltern" oder „Hoffnung der Nation" genannt) und welche ohne (wahlweise als „Die Cleveren" oder „Oh, ihr Glücklichen" bezeichnet).

Beide Gruppen unterschieden sich während der Vorbereitungsphase unserer Reise durch die Art der Fragen die sie uns stellten. Während die häufigste Frage der zweiten Gruppe (der „Cleveren") „Wird es Euch denn nicht langweilig?" lautete, fragten alle Eltern mit Kindern „Wie wollt Ihr das eigentlich machen?" (Übersetzung für die „Oh, ihr Glücklichen": Gemeint ist, wie wir 210 Tage a 24 Stunden mit 2 Kleinkindern gemeinsam verbringen wollen, ohne dabei komplett den Verstand zu verlieren).

Die Frage bezüglich der Langeweile erwiderten wir meistens mit einem dünnen Lächeln. Verstohlen suchten wir später im Duden nach der Bedeutung des Wortes, doch die Erklärung enthielt wiederum eine Reihe von Begriffen, mit denen wir nichts anzufangen wussten: zu viel Zeit, nichts tun, faulenzen etc.

Die Frage der „Hoffnung der Nation" trieb uns dagegen den Angstschweiß auf die Stirn. Darum reagierten wir auf sie so, wie wir das in zahlreichen Managementseminaren gelernt hatten: „Erscheint dir ein Problem unlösbar, dann denke einfach nicht weiter darüber nach." Diese sehr wirkungsvolle Methode funktionierte hervorragend. Allerdings nur bis zur zweiten Woche unserer Reise. Dann holte uns die Realität ein. Unerbittlich.

Wir mussten einsehen, wie blauäugig wir gewesen waren. Wir, die Gesegneten, mit Kita-Platz und einem Bataillon von Omas und Opas, die zu jeder Tages- und Nachtzeit bereit waren, sich um ihre Enkel zu kümmern. Eine Woche reichten unsere vereinten Kräfte aus, dann sahen wir ein, dass sich etwas ändern musste.

Zuerste fiel uns die Kita ein. Nach unserer Erfahrung sahen die Erzieherinnen in der Kita immer sehr entspannt aus. Sie hatten offensichtlich keine Probleme auch längere Zeit mit den Kindern zu verbringen. Wir schlugen deshalb vor, die gleichen Regeln wie in der Kita aufzustellen. Theresa (sie ist Gruppensprecherin bei unseren Kindern) stimmte zu. Allerdings nur unter der Bedingung, dass die Kita-Regeln auch nur zu den Uhrzeiten gelten, zu denen sie in die Kita gehen. Abzüglich der Bring- und Holzeiten ergab sich ein Zeitraum von 9:30 Uhr bis 15:30 Uhr.

Die Kita-Regeln brachten etwas Entspannung, doch war es auf Dauer ein wenig anstrengend auf die Namen Petra und Angela zu hören (vor allem für Jürgen). Außerdem forderten die Kinder ständig Konzessionen, weil wir beispielsweise nicht das gleiche Spielzeug wie die Kita zu bieten hatten.

Wir suchten mehrere Wochen vergeblich nach einer passenden Lösung bis wir in Florenz ganz zufällig auf ein Buch stießen, durch welches sich ungeahnte Möglichkeiten ergaben. Geschrieben wurde es vor langer Zeit - zwischen 1523 und 1524. Der Autor war Niccolò Machiavelli, ein mittlerer Beamter im Außenministerium der Republik Florenz. Der Titel des Buches lautet „Il principe" oder deutsch „Der Fürst". Es ist eine Art Kurzanleitung für Herrscher im Umgang mit dem Volk zum Zwecke der Machterhaltung. Das war es: „Umgang mit dem Volk zum Zwecke der Machterhaltung". Man konnte auch sagen: „Behandlung der eigenen Kinder mit dem Ziel eines verträglichen Auskommens". Es war ganz einfach. Wo immer im Buch die Wörter „Fürst" oder „Volk" vorkamen, ersetzten wir diese durch „Eltern" respektive „Kinder". Und schon ergab sich die Lösung all unserer Probleme.

„Kluge Eltern können und dürfen ihr Wort nicht halten, wenn sie sich dadurch selber schaden würden".

Beispiel: Schon  beim Frühstück möchte Theresa „Engel und Baby" spielen. Wir haben aber überhaupt keine Lust dazu, weil wir erst zu Ende frühstücken möchten. Früher haben wir Theresa den Sachverhalt lang und breit erklärt und sie hat gesagt, dass sie uns durchaus verstehe, aber jetzt „Engel und Baby" spielen möchte und uns dazu bräuchte und wir deshalb unser Frühstück unterbrechen müssten, was für uns ja auch gut wäre, weil wir doch sowieso weniger essen wollten und so weiter und so fort ...

Jetzt ist es ganz einfach. Wir versprechen Theresa, dass wir zwar nicht gleich, dafür aber nach dem Frühstück „Engel und Baby" und ausserdem noch „Beate, Karsten, Anna und Johannes" und „Torgo.de" mit ihr spielen werden. Auf dieses verlockende Angebot geht sie in der Regel sofort ein.

Die Croissants schmecken wieder.

„Auch verschaffen sich Eltern Ansehen, wenn sie ohne jede Rücksicht die Partei des Kindes annehmen, welche nützlicher ist."

Beispiel: Hugo und Theresa streiten sich um die neue Angel. In der Vergangenheit fragten wir sie, wer zuletzt angeln durfte und gaben sie dann dem anderen, was in der Regel zu Schreikrämpfen bei demjenigen führte, der bereits den Käscher voller Fische hatte. Wir waren dann meistens gezwungen mitzuspielen, damit überhaupt wieder Ruhe einkehrte.

Jetzt stellen wir zuerst folgende Fragen (jeweils getrennt und geheim an beide): „Was gibst Du mir, wenn ich dir die Angel besorge?". Derjenige mit dem besseren Gebot ist der Gewinner. Das hat zwar ähnliche Folgen wie in der früheren Variante, bringt aber den Vorteil mit sich, dass mindestens ein Kind in der Schuld steht (zum Beispiel Theresa: „Ich ziehe mich heute abend alleine aus und gehe ins Bett ohne Gute-Nacht-Geschichte" oder Hugo: „Heute nicht Bonbontag").

„Mischen sich die Eltern in die Privatangelegenheiten ihrer Kinder ein, so müssen sie dafür sorgen, dass ihre Urteile unwiderruflich sind."

Beispiel: Hugo setzt sich nicht auf den Topf. Früher führten wir nervenaufreibende Diskussionen über das Für und Wider der Topfbenutzung. Wir rechneten Hugo die monetäre Ersparnis bei den Windelkosten vor und versprachen ihm eine prozentuale Beteiligung. Es half nichts. Er blieb stur.

Jetzt entscheiden wir, dass Hugo auch weiterhin in die Windel strullen darf, wir ihm aber die dadurch entstehenden Windelkosten bei Auszahlung seines Bausparguthabens in Rechnung stellen werden. Um der Sache einen offiziellen Anstrich zu verleihen schließen wir einen notariellen Vertrag unter Ausschluss des § 181 BGB.

Wir befinden uns jetzt bereits in der 5.Woche nach Einführung von Machiavelli und im Ergebnis können wir uns über 60% mehr Freizeit freuen. Davon können andere Eltern nur träumen.

Von einer allgemeinen Anwendungsempfehlung möchten wir im Moment jedoch noch absehen. Dazu fehlen uns noch die Ergebnisse aus einer Langzeitstudie.
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Spiel und Spass ©


Helles Blau...


... und etwas dunkler
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Und schönes Gelb


Zwei gute Freunde 



Zwei andere gute Freunde
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Zwei ganz dicke Freunde


Ein Macho


Schumi
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Schokoladeneis


Theresa nach ihrer ersten Schlägerei


Ach wo - der erste Zahn ist raus 5 Tage vor Theresa's 5.Geburtstag ©